Das schwullesbische Lesefestival „QUEER gelesen“ fand 2015 vom 30.01. bis 01.02. zum zweiten Mal in Wiesbaden statt. Nachdem 2014 insgesamt 12 Autoren aus ihren Romanen lasen, waren bei der zweiten Ausgabe des Lesefestivals 16 Autoren aus Deutschland und Österreich zu Gast. Zudem fanden einige Sonderaktionen statt, um „QUEER gelesen“ noch attraktiver und interessanter zu gestalten. So fand an allen drei Tagen eine Verlosung zugunsten der Aidshilfe Wiesbaden statt, bei der zum Teil signierte Bücher gewonnen werden konnten, zwei Erotiklesungen und die Skypelesung mit der in Chile lebenden Autorin Cecil Dewi.
Ermöglicht wurde das Lesefestival 2015 durch die Unterstützung unterschiedlicher Verlage und Institutionen, wie den runden Tisch der LGBTIG-Lebensweisen Wiesbaden, den Verlagshäusern Ylva, Größenwahn, deadsoft und Incubus, sowie dem IBIS Hotel. Der Veranstaltungsort am Freitag und Samstag war die Coffeebar Anderswo, am Sonntag fanden die Lesungen in der Aidshilfe Wiesbaden statt.
Der Freitag Abend stand ganz im Zeichen des Fantasy, da sowohl die lesbische, als auch die schwule Lesung Fantasykost vom Feinsten präsentierten. Die aus Wien stammende Autorin Ingrid Pointecker stellte ihr lesbisches Buch „Herbstsplitter“ vor, in dem die ehemalige Elfenkriegerin Syen das Leben ihrer Freundin Netai retten muss, die aufgrund eines Unglücks um Jahre gealtert ist und zu sterben droht. Im Anschluss las Anna Murawska aus ihrem Fantasy-Epos „Terra Aluvis“, das nicht nur mehrere Romane umfassen soll, sondern auch aufwendige Grafiken, selbst komponierte Musik und ein passendes Rollenspielsystem bietet. Der erste Band von „Terra Aluvis“ ist hierbei nur der Auftaktband, der die Vorgeschichte der Fantasy-Reihe markiert.
Beide Autoren lasen sehr stimmungsvoll und wussten die Zuhörer zu fesseln. Mit knapp 15 Besuchern waren die ersten Lesungen verhältnismäßig gut besucht.
Am Samstag standen 7 Lesungen auf dem Programm, darunter die Verlagslesung des Ylva-Verlags und die beiden Erotiklesungen am Abend. Um 14 Uhr startete Ylva mit einem bunten Programm. Neben der Verlagsleiterin Astrid Ohletz, die aus dem lesbischen Liebesroman „Liebe á la Hollywood“ von Jae (die leider nicht persönlich vor Ort war) las, stellten die Autorinnen Nino Delia und Patricia Penn ihre Projekte „Als Mädchen zu Wölfen wurden“ (Nino Delia) und „Linguistenblues, oder: Der Consultant, den es nicht gab“ (Patricia Penn) vor, die leider erst Ende 2015 in Buchform erscheinen werden. Beide lasen sehr lebendig und konnten die rund 30 Besucher hervorragend unterhalten. Auch die folgende Autorin Devin Sumarno las aus einer Kurzgeschichte, die im Ylva Verlag erschien: „Die Freiheit der Freiheit den Rücken zu kehren“. Anschließend läutete sich die schwulen Lesungen mit den Kurzgeschichten „Wie Seymour den Urlaub beinahe völlig ruinierte und andere Selbstverständlichkeiten“ und „Als er ging“ ein. Leider konnte die Autorin aufgrund einer Erkältung nur die letztgenannte Geschichte vortragen, die anderen Texte wurden von Astrid Ohletz und Nino Delia vorgetragen.
Ab 17 Uhr stand das Lesefestival ganz im Zeichen schwuler Literatur. Der Berliner Autor Dennis Stephan machte den Anfang und las aus ihrem Debüt „Der Klub der Ungeliebten“, in dem es um den schwulen Adam geht, der mit seiner Cousine Coralie zusammenlebt. Zusammen mit der seltsamen alten Dame Madame Porzellan gründen sie den Klub der Ungeliebten. Seine frische Vortragsweise sorgte nicht nur für einige Lacher, viele konnten sich schnell mit den Figuren und dem Inhalt des angenehm ruhigen Romans identifizieren.
Im Anschluss wurde es wieder fantastische – Chris P. Rolls, die bereits 2014 beim Literaturfestival zu Gast war, entführte in ihre Fantasygeschichte „Wintergeboren“, in dem es um den Botenreiter Dalan geht, der als Wintergeborener ein lebender Frevel für die Götter ist und von niemandem berührt werden darf. Doch dann gerät er in die Hände des Heerführers Kystra. Auch Chris überzeugte einmal mehr durch ihre souveräne Vortragsweise und machte Lust auf mehr.
Um 19 Uhr war schließlich Jobst Mahrenholz an der Reihe, der aus seiner Duologie „Il gusto di Lauro“ las, in dem es um den jungen Luca geht, der den Traum hat ein berühmter Koch zu werden. Allerdings nimmt sein Leben eine unerwartete Wendung, als der Halbjapaner Shiro als Aushilfskraft bei Lucas Familie anfängt. Die Lesung war sehr gelungen und im Anschluss erzählte Jobst Mahrenholz von seinen zukünftigen Projekten.
Nach einer einstündigen Pause fanden die letzten beiden Lesungen statt. Bei diesen ging es expliziter und erotischer zur Sache. Um 21 Uhr las Sabine Brandl mehrere erotische Szenen ihrer lesbischen Romane „Und täglich grüßt die Erinnerung“ und „blauweiß queer gestreift“. Die Autorin war bereits 2014 zu Gast und konnte auch dieses Mal die Zuhörer fesseln. Im Anschluss schloss der Münchner Autor Martin Skerhut den Abend. Im Gegensatz zu Sabine Brandl waren seine Textpassagen nicht erotisch, sondern pornografisch, denn der Autor scheute sich nicht davor Dämonen und Tentakelmonster ins Rennen zu schicken, um seine schwulen Geschichten zu untermalen.
Mit Martin Skerhuts ungewöhnlichen und hocherotischen Geschichten fand das Lesefestival am Samstag sein Ende und konnte sich insgesamt über mehr Besucher als im Vorjahr freuen.
Die Lesungen am Sonntag fanden erstmals in der Aidshilfe Wiesbaden statt, die „QUEER gelesen“ erstmals unterstützt haben. Hier fand auch das Autorenfrühstück statt, das vor den eigentlichen Veranstaltungen mit den geladenen Autoren angesetzt war.
Ab 14 Uhr hieß es: Bühne frei für die schwullesbischen Lesungen. Da die Autorin Julia Arden aufgrund eines privaten Zwischenfalls leider nicht vor Ort sein konnte, las die Veranstalterin Juliane Seidel stattdessen aus dem lesbischen Liebesroman „Herz auf Umwegen“, in dem die Katja gegen ihre Kollegin Janny bestehen muss, um das Herz von Grit zu gewinnen. Im Anschluss stellte Rainer Buck sein kontroverses Buch „Tims Arche“ vor, in dem der Autor die Themen Homosexualität und Kirche miteinander verknüpft. Wie nicht anders zu erwarten löste der Autor eine rege Diskussion aus, an der mehrere Besucher teilnahmen.
Um 16 Uhr las die Wiesbadener Autorin Tanja Meurer in stilvoller Gewandung und sehr fesselnd aus ihrer lesbischen Steampunknovelle „Raunacht“, in der die Wissenschaftlerin Anabelle Talleyrand und ihre angolanische Gefährtin, die Magierin Madame Zaida, einen seltsamen Todesfall im winterlichen London aufklären müssen. Anschließend stellte sie den ersten Band ihrer Steamfantasy-Reihe „Die Stadt der Maschinenmagie“ vor, der im Frühsommer im Incubus Verlag erscheint.
Der folgende Programmpunkt war einer der Höhepunkte des Festivals – die Skypelesung mit der in Chile lebenden Autorin Cecil Dewi. Sie stellte ihren schwulen Urban Fantasy Roman „Parallelwelt“ vor, in dem der junge Leif von Alpträumen heimgesucht werden und zeitgleich seiner Jugendliebe Sam wieder begegnet. Ebenso las sie aus ihrem Fantasy-Debüt „Staub und Stolz“, das von der Beziehung der ungleichen Männer Forlán und Iain handelt, die aus vollkommen unterschiedlichen Kulturkreisen stammen. Bis auf einen kurzen Ausfall der Verbindung lief die Lesung problemfrei und bot den Besuchern eine tolle Abwechslung zum übrigen Programm.
Aufgrund der Verzögerungen durch die Skypelesung konnte der Berliner Autor Thomas Pregel erst 18:15 starten. Er stellte sein Debüt „Die unsicherste aller Tageszeiten“ vor, in dem es um die Kunst, das Leben, Aids und die Liebe geht. Thomas Pregel las souverän und konnte seine Zuhörer mit Leichtigkeit fesseln.
Die letzte Lesung des Festivals bestritt schließlich Andrea Conrad, die ebenfalls 2014 in Wiesbaden zu Gast war. Sie präsentierte mit „Späte Rache“ die Fortsetzung ihres historischen Romans „Liebe unter dem Hakenkreuz“, aus dem sie vergangenes Jahr las. In „Späte Rache“ begegnet man den Charakteren Heinrich und Richard wieder, die unterdessen zusammenleben. Wie schon im Vorjahr konnte Andrea Conrad mit tollen Figuren und einer spannenden Geschichte fesseln, die neugierig macht.
Insgesamt war das zweite schwullesbische Lesefestival ein schöner Erfolg, wenngleich es durchaus mehr Besucher hätte geben können. Nichtsdestotrotz haben die Autoren die Lesungen zu einem vollen Erfolg gemacht, ebenso das Team der Coffeebar Anderswo und Peter Schneider von der Aidshilfe Wiesbaden, ohne die die Veranstaltung nicht hätte stattfinden können. Ebenso bedanken wir uns bei allen Besuchern, die im Laufe des Wochenendes bei den Lesungen zu Gast waren, unseren Sponsoren, den Verlagen, die mit Buchspenden die Verlosungen ermöglicht haben und jedem Helfer, der uns unterstützt hat. Wir würden uns freuen, den ein oder anderen im kommenden Jahr wieder begrüßen zu dürfen. Das nächste „QUEER gelesen“ findet vom 20.05. bis 22.05.2016 statt.
Autoren
Bildcopyright (c) Juliane Seidel, Julia Raschke, Marc Schnellbach